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Roadbook – Banuyls-sur-mer, Port-Vendres, Collioure und Cerbère

Collioure

Banuyls-sur-mer, Port-Vendres, Collioure und Cerbère an der Côte Vermeille (dt. leuchtendrote Küste). Die letzten 23 km der französischen Mittelmeerküste liegen vor uns.


Nackt und tot hinter dem Lenkrad zu hängen hinterlässt keinen guten Eindruck.
Das war eine dieser Nächte, in denen man feststellt, das man an einem der dämlichsten Plätze überhaupt steht. Es war 03:00 als wir wach wurden, weil der Sturm des Gewitters den Regen gegen die Seitenwand des Wohnmobils peitschte, als wolle er ihn mit aller Gewalt durch die 6 cm dicke Wand pressen. Nach kurzer Zeit beschlossen wir das schaukelnde Wohnmobil auf dem Plateau zu drehen. Jetzt bloß keinen Fehler machen, Claudia wollte verständlicherweise nicht aussteigen, aber vor allem hätte der Nackte mit den Gummilatschen hinter dem Lenkrad die Nachwelt komplett verstört. Als das Auto gedreht war, dauert es keine halbe Stunde und der Spuk war vorbei. Reine Schikane.
Keine 3 Stunden später ging es von vorne los und der Wind hatte sich natürlich gedreht, aber ich hatte keine Lust mehr das Wohnmobil erneut zu drehen. So erklärte ich die Nacht für beendet und versuchte auf dem Notebook den richtigen Buchstaben auf der Tastatur zu treffen. Eine Stunde später war am Horizont blauer Himmel in Sicht.

Die nächsten Tage verbrachten wir mit der sehr anspruchsvollen Tätigkeit „Aufs Meer schauen“ und mit Wanderungen am Sentier du Littoral, der auch hier verläuft. Nach vier Nächten fahren wir 9 km zurück und stellten uns auf den Stellplatz von Port-Vendres.

Port-Vendres

Der Stellplatz war wider Erwarten so voll, dass die Wohnmobile, die am Abend kamen, keinen Platz mehr fanden. Das war Kuschelcamping in viel zu kleinen Stellflächen vom allerfeinsten.
Warum tun wir uns so etwas an? Weil es manchmal anders nicht geht und dieser Stellplatz war ein guter Ausgangspunkt für unsere Pläne. Das Rezept, wie man einen solchen Stellplatz des Grauens gut übersteht, ist ganz einfach. Morgens weg, Abends wiederkommen, Rollos rechts und links zu (wir sehen eh nur weiße Wände), Musik an und lecker kochen. Dann Rotwein in den Thermosbecher und nochmal ans Meer laufen.
Am nächsten Tag sind wir zum Cap Béar gewandert, gute 10 Kilometer, auch hier wieder teilweise auf dem Sentier du Littoral und den Tag darauf ging es mit den Rädern nach Collioure.

Collioure

Collioure

Anchois Roque aus Collioure

Unsere Ankunft in Collioure war befremdlich. Während wir am Boulevard du Boramar Richtung Ortskern schlenderten, landeten vier Schlauchboote der französischen Armee am Strand. Uns waren die Soldaten schon auf dem Weg nach Collioure aufgefallen. Die Soldaten stürmten mit den Paddeln im Anschlag Richtung Boulevard, verschanzten sich hinter der Mauer am Strand und zielten Richtung Ortsmitte, also eigentlich auf uns und die anderen Passanten. Wir waren geneigt Decken, heiße Getränke und Waschlappen zu verteilen, denn die Soldaten in voller Kampfmontur und geschwärzten Gesichtern kauernden völlig durchnässt und teils Zähne klappernd im Sand. Wahrscheinlich hätten wir aber so die Übung gesprengt und wären wegen Insubordination verhaftet worden.

Collioure hat was, nicht um sonst haben hier schon einige berühmte Maler wie Matisse und Picasso einen Teil ihres Lebens verbracht. Die engen und mit Blumen geschmückten Gässchen und den farbenprächtigen Häusern um das Vieux Quartier du Mouré sind sehr malerisch. Durch die Gassen weht ein ständig wechselnder, verführerischer Duft aus den unzähligen Restaurants und Bars. Wir hatten auch noch das Glück, das Markttag war und wir Empanadas und eine Art Pizza mit Escalivada und Anchois Roque probieren konnten.

Escalivada und Anchois du Roque
Escalivada ist eine katalonische Spezialität. Auberginen, Zucchnis, Paprikas und Tomaten werden im Backofen gegart und anschließend in Olivenöl, Knoblauch, Thymian, Salz und Pfeffer mariniert.
Anchois Roque sind eine sehr alte Spezialität aus Collioure. Die Sardellen werden direkt am Hafen ausgenommen und für ein paar Monate in Fässern in einer Salzlake eingelegt. Dort fermentieren sie leicht. Die Anchois sind ein wichtiger Bestandteil der katalanischen Küche.
Überhaupt ist das Essen in diesem Eck Frankreichs sehr interessant und lecker, denn die spanischen und katalanischen Einflüsse sind nicht zu übersehen. Und wer dort in der Gegend auf irgendeinem Markt den Stand von Saucissons de Pere aus Conilhac-Corbières findet, sollte zu schlagen. Conilhac-Corbières ist im übrigen nur 21 km von Le Somail entfernt. Die Salami ist der Wahnsinn und die Degustation hatte mehr etwas mit einem üppigen Snack zu tun. Da die Salami sich 5 Monate hält, haben wir zum Glück gleich 1,2 kg gekauft und noch einen 3 Jahre alten Comté mitgenommen, also ein Stück davon.
Und natürlich haben wir uns auch mit Anchois Roque eingedeckt.

Am nächsten Morgen verließen wir Port-Vendres und fuhren auf der D914 entlang der Klippen wieder Richtung spanische Grenze. Eine wahnsinnig schöne Strecke, aber nichts für schwache Nerven und Bremsen.

Cerbère

Cerbère

Marktplatz in Cerbère

Nach der Dauerbespaßung auf dem Stellplatz von Port-Vendres hatten wir erst einmal wieder Ruhe und Einsamkeit nötig. Oberhalb von Cerbère fanden wir einen abgeschiedenen Platz mit Blick über den Ort und das Meer. Doch der nächste Tag war erst regnerisch und dann stürmisch. Regen ging, der Sturm blieb, aber der Platz war einfach zu schön. Nach drei Nächten fuhren wir runter an die Landspitze und nach einer weiteren Nacht im Sturm noch etwas näher an den Ort. In einer Bucht konnten wir etwas Pause vom Wind nehmen. Das ständige Getöse dieses tagelangen Sturms mit 80 km/h und mehr, das kann einen schon mit der Zeit etwas mürbe machen. Nun konnten wir uns Cerbère auch mal aus der Nähe anschauen. Ein kleiner Ort mit einem völlig überdimensionierten Bahnhof, dessen Architekt im übrigen Gustave Eiffel war. Die Größe des Bahnhofs hat natürlich einen Sinn, hier werden nämlich die Züge aus Spanien umgespurt. Vom Gipfel hinter unserem Stellplatz oberhalb von Cerbère konnten wir im übrigen das Gegenstück auf spanischer Seite in Portbou sehen. Dort werden die französischen Züge von Normal- auf Breitspur umgespurt.

Côte Vermeille

Côte Vermeille

Côte Vermeille

Dieser Abschnitt des Mittelmeeres ist mit Sicherheit einer der Schönsten. Das Licht, die Vegetation mit ihrer üppigen Blütenpracht, den Kakteenfeldern und das Essen gefallen uns sehr. Der Abschied fällt schwer.

Wir waren windmüde und nach über 4 Monaten am Mittelmeer waren wir zwar nicht willig, aber bereit zum Atlantik aufzubrechen. Unsere nächste Station war Villefranche-de-Conflent. Vor uns liegen 518 km entlang der Pyrenäen.

Augenfutter

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