Die erste Woche Kontaktverbot ist rum und mein Fahrrad hängt nackt im Wind. Wenn nicht jetzt, wann dann. Es ist Zeit für eine komplette Restauration. Keine Räder, keine Versuchung.
Und da hängt auch kein Rad mehr, sondern nur noch ein nackter Rahmen, der aller Teile beraubt wurde. Eigentlich wollte ich nur das hintere Laufrad reparieren. Nach zehn Jahren intensiver Nutzung war eines der Kugellager in der Nabe vollkommen zerbröselt und zudem hatten fünf Speichen durch einen Übersprung der Kette eine heftige Macke. Das vordere Laufrad hat aber genauso viel Kilometer und da waren ja auch die Schalt- und Bremszüge. Richtig flutschten tut da schon lange nichts mehr. Und den Steuersatz der Gabel hatten wir in der Hauts-de-France auch schon mal „repariert“, aber eine Kugel liegt seitdem irgendwo auf dem Stellplatz von Estaires.
Wenn nicht jetzt
Raus darf ich jetzt auch nicht mehr. Ich habe Hausarrest bekommen, weil ich wegen einer Vorerkrankung zur Risikogruppe gehöre. Bleib zuhause, wenn du krank bist, ich kann das gar nicht oft genug sagen. Ich habe vor über 30 Jahren eine heftige Quittung für meine Unvernunft bekommen und knabbere heute noch dadran. Aber zurück zum Thema, also die Gelegenheit war nie günstiger und die Zeit ist auch vorhanden. Keine Stunde später war das Rad gestrippt. Eineinhalb Tage war ich mit der Auswahl der richtigen Teile beschäftigt, jetzt heißt es warten und Teile putzen. In der Zwischenzeit lackiert mir Marco den Rahmen und die Gabel. Danke, du bist der Größte.
Einer für alle
Die Einkaufssituation hier im Westen hat sich nicht wirklich verbessert. Mehl, Hefe, Nudeln, Sonnenblumenöl und Toilettenpapier gibt es weiterhin nicht. Das Brot backen habe ich einfach eingestellt. Das Brot kommt jetzt von einer sehr guten Bäckerei, die ohne Zusatzmittel arbeitet. Unsere Einkaufsgemeinschaft funktioniert gut. Einer geht für mittlerweile zehn Personen einkaufen und damit reduzieren wir die sozialen Kontakte mit unseren Mitteln.
Übungen
Hausarrest ist ein wenig übertrieben, ich darf nicht mehr unter Menschen oder in den Supermarkt. Ich hatte da gar nichts zu melden, das haben Andere beschlossen und verkündet. Zum Glück sind wir von Wald und Natur umgeben. Das Wetter zeigt sich wie zum Trotz von seiner besten Seite. Nach unglaublich viel Regen in den letzten Wochen, scheint ausgerechnet jetzt ständig die Sonne. Machen wir das Beste aus der Situation und trainieren für unsere geplanten Wandertouren. Los laufen und mit höherem Tempo mindestens acht Kilometer. Mit dem Bergischen Land im Rücken können wir laufen ohne Ende und den meisten Menschen ausweichen.
Unser Blick auf Köln, von einem Aussichtspunkt ganz in der Nähe unseres Standortes, so nah und auf einmal doch so unerreichbar. Die Welt ist verdammt groß geworden.
Und weiter geht die wilde Fahrt
Gehen wir die zweite Woche an. Vielleicht erhöhen wir unser Training auf zehn Kilometer, vielleicht aber auch nicht. Wir haben keinen Grund uns zu beklagen und trotzdem, es nervt doch gewaltig. Gegenüber anderen hat es uns um ein Vielfaches besser getroffen. Wir sind eine Gemeinschaft und bewältigen die Krise mit Abstand und Anstand gemeinsam. Von meinem Arbeitsplatz in der Hecksitzgruppe schaue ich ins Grüne. Jeden Tag beobachte ich ein Eichhörnchen, einen Bussard und kann die neuen grünen Blätter zählen. Aber alleine der Gedanke, dass das noch mindestens bis zum 20. April so bleibt, macht mich nicht fröhlich. Der Gedanke von Blickgewinkelt latent besoffen zu sein hat, erscheint mir zunehmend logisch.
Sieben Jahre Leben im Wohnmobil machen sich jetzt richtig bezahlt. Wir sind auf Enge trainiert, ein Massaker oder eine Scheidung ist bei uns quasi ausgeschlossen. Auch die wie im Knast fest verschraubten Möbel erweisen sich als vorteilhaft und verhindern Vandalismus.
Das war es für heute, das Eichhörnchen ist da.
#wirbleibenzuhause #staythefuckhome #NRWkanndas
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